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Chichén Itzá auf Yucatán

Yucatán - Chichén Itzá

Chichén Itzá ist eine der bedeutendsten Ruinenstätten auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán. Sie liegt etwa 120 Kilometer östlich von Mérida im Bundesstaat Yucatán. Ihre Ruinen stammen aus der späten Maya-Zeit.

Mit einer Fläche von 1547 Hektar[1] ist Chichén Itzá einer der ausgedehntesten Fundorte in Yucatán. Das Zentrum wird von zahlreichen monumentalen Repräsentationsbauten mit religiös-politischem Hintergrund eingenommen, aus denen eine große, weitestgehend erhaltene Stufenpyramide herausragt. Im direkten Umkreis befinden sich Ruinen von Häusern der Oberschicht.

Zwischen dem 8. und dem 11. Jahrhundert muss diese Stadt eine überregional bedeutende Rolle gespielt haben. Wie diese genau aussah, konnte bisher jedoch nicht geklärt werden. Einzigartig ist, wie in Chichén Itzá verschiedene Architekturstile nebeneinander auftreten. Neben Bauten in einem modifizierten Puuc-Stil gibt es Bauformen, die toltekische Züge aufweisen. Dies hat man früher oft auf einen direkten Einfluss von Auswanderern aus Zentralmexiko beziehungsweise von Eroberern aus Tula zurückgeführt. Heute geht man eher von diffusionistischen Modellen aus und nimmt eine weitgehende Gleichzeitigkeit verschiedener Stilformen in den Monumentalbauten an.

Durch die touristische Entwicklung von Yucatán ist Chichén Itzá zu jener archäologischen Stätte geworden, die in Mexiko nach Teotihuacán die meisten Besucher anzieht. Von der UNESCO wurde Chichén Itzá 1988 zum Weltkulturerbe erklärt. Am 30. März 2015 wurde die Gedenkstätte in das Internationale Register für Kulturgut unter Sonderschutz der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten aufgenommen.[2]

Etymologie

Der Name der Stadt entstammt dem yukatekischen Maya und bedeutet „Am Rande des Brunnens der Itzá“. Er ist zusammengesetzt aus den drei Wörtern chi’ („Mund, Rand, Ufer“)[3], ch’e’en („Brunnen“ oder „Höhle mit Wasser“)[4] und itzá (Eigenbezeichnung des Volkes).

Mit dem „Brunnen“ im Namen der Stadt war die wasserführende Doline (Cenote) gemeint, die heute als Cenote Sagrado bezeichnet wird. Chichén Itzá liegt in einem sehr unebenen Karstgelände mit generell aber nur geringen Höhenunterschieden, das von vielen Einsturzdolinen übersät ist (lokal als rejolladas bezeichnet); diese reichen meist nicht bis zum Grundwasserhorizont, bieten aber aus mikroklimatischen Gründen günstige Voraussetzungen für Anpflanzungen. Je eine wasserführende Doline befindet sich nördlich (Cenote Sagrado) und südlich (Cenote Xtoloc, neben dem gleichnamigen kleinen Tempel) des Zentrums. Es ist sicher kein Zufall, dass das zeremoniale Zentrum genau zwischen diesen beiden Cenotes liegt.

Im Chilam-Balam-Buch von Chumayel wird ein anderer Name genannt, den die Stadt vor Ankunft der Itzá getragen hat. Wie dieser Name – Uuc Yabnal – zu verstehen ist, konnte bisher nicht befriedigend geklärt werden.

Forschungsgeschichte

Kolonialzeitliche Berichte

Im Jahr 1533 – und damit knapp zehn Jahre bevor die Spanier ihre Eroberung Yucatáns abgeschlossen hatten – errichtete Francisco de Montejo der Jüngere in den Ruinen von Chichén Itzá eine kleine Siedlung unter dem Namen Ciudad Real. Von den damals gebauten einfachen Behausungen konnten archäologisch bisher keine Spuren gesichert werden. Die Siedlung wurde von Indianern belagert und konnte nicht gehalten werden. Diego de Landa (der damals allerdings noch nicht selber vor Ort war) berichtet, dass der Druck so stark gewesen sei, dass die Spanier sich nur heimlich nachts zurückziehen konnten. Landa, der 1549 nach Yucatán kam, gibt eine recht ausführliche Beschreibung von einigen Gebäuden im Zentrum von Chichén Itzá – nämlich vom Castillo und den beiden kleinen Plattformen – sowie von der breiten Straße zum Heiligen Cenote und von Gegenständen, die er dort fand.[5] Eine kurze Notiz über seinen Besuch der Ruinen am 26. Juli 1588 hinterließ Antonio de Ciudad Real.[6]

Frühe moderne Beschreibungen und Forschungen

Zu den frühesten modernen Besuchern gehörte 1840 Baron Emanuel von Friedrichsthal, damals erster Sekretär der österreichischen Legatschaft in Mexiko. Er nahm auch Daguerreotypien auf, konnte seinen Bericht aber nicht mehr veröffentlichen.[7] Im Jahr 1841 hielten sich John Lloyd Stephens und Frederick Catherwood lange in Chichén Itzá auf und fertigten ausführliche Beschreibungen und Zeichnungen an.[8] Die von Stephens verfassten Berichte machten die mittelamerikanischen Ruinen, darunter auch Chichén Itzá, bei den Interessierten in Nordamerika und Europa bekannt. Sie regten unter anderem den Franzosen Désiré Charnay zu Forschungsreisen an. Er besuchte Chichén Itzá 1860 und nahm dort zahlreiche Fotografien auf.[9]

Moderne Forschungen

Die ersten Grabungen unternahm der New Yorker Amateur-Archäologe Augustus Le Plongeon ab 1875. Die historischen Darstellungen, die er in seinen Werken ausführlich ausbreitete, gehören allerdings in das Reich der Fantasie. Nach ihm kamen in kurzer Folge Teoberto Maler, der neben Fotografien nur spärliche Aufzeichnungen hinterließ, und der Engländer Alfred Percival Maudslay, der sich ein halbes Jahr der Ruinenstadt widmete. Der amerikanische Diplomat Edward Thompson kaufte 1894 die Hazienda, auf deren Gelände Chichén Itzá liegt, und forschte dort bis in die 1920er Jahre. Unter anderem baggerte er ab 1904 die Ablagerungen im Heiligen Cenote aus, in dem er auch Tauchexpeditionen unternahm. Ihm wurde vorgeworfen, zahlreiche wertvolle Objekte unerlaubt außer Landes gebracht zu haben, allerdings wurde diese Anklage später als unbegründet fallen gelassen.

Ab 1924 führte die Carnegie Institution of Washington unter der Leitung von Sylvanus Griswold Morley gemeinsam mit mexikanischen Regierungsstellen Ausgrabungen durch und unternahm Rekonstruktionen. Die Archäologen der Carnegie Institution (darunter auch Eric Thompson) arbeiteten an Ruinen auf der großen Plattform (insbesondere am Kriegertempel), am Caracol, an den Monjas und am Mercado sowie beim weit im Süden gelegenen Tempel der drei Türbalken. Von den Archäologen der mexikanischen Altertumsbehörde wurden Restaurierungsarbeiten am Castillo, am großen Ballspielplatz, am Tzompantli, bei der Plattform der Adler und der Jaguare sowie bei der Plattform der Venus durchgeführt. Die umfangreichen Grabungen der Carnegie Institution in Chichén Itzá legten den Grundstein für die auf der gefundenen Keramik beruhenden Chronologie des gesamten nördlichen Yucatán.[10] Wissenschaftler der Carnegie Institution entwickelten auch die Ansicht, dass sich in Chichén Itzá die Kultur einheimischer Maya und eingewanderter Tolteken begegneten, was sich an unterschiedlichen Baustilen erkennen ließe. Durch die Carnegie Institution und später durch das mexikanische INAH (Instituto Nacional de Antropología e Historia) wurde auch eine genaue Kartierung von Chichén Itzá vorgenommen, die ein Vielfaches der heute touristisch zugänglichen Fläche umfasst.

Neuere Ausgrabungen und Restaurierungen durch das INAH seit den 1980er Jahren (meist unter Leitung des Deutschen Peter J. Schmidt) konzentrierten sich auf Nachuntersuchungen und Konsolidierungen im Zentrum von Chichen Itzá (Komplettierung des Castillos, des Tempels des großen Opfertisches, des östlichen Teils des Tausend-Säulen-Komplexes, Osarios) und Neugrabungen im Süden (gesamte Grupo de la Fecha). 2009 begannen neue Grabungen im Umfeld des Castillos unter Rafael Cobos.

Aktuelle Probleme

Die Geschichte des Besitzes von Chichén Itza ist ungewöhnlich und hat nicht unerheblichen Einfluss auf die Erforschung und Konservierung: Nach Edward Thompsons Tod im Jahr 1935 verkauften seine Erben die Hazienda an die seit dem 19. Jahrhundert einflussreiche yukatekische Familie Barbachano, die dort inzwischen zwei Hotels betreibt. Obwohl das Gelände von Chichén Itzá offiziell zur archäologischen Stätte erklärt wurde und damit eigentlich Bundesterritorium (zona federal) ist, hatte dies keine privatrechtlichen Konsequenzen. Im März 2010 verkaufte der letzte Besitzer, Hans Jürgen Thies Barbachano, einen Teil des Geländes von Chichén Itzá in der Größe von 80 Hektar, der die wichtigsten Gebäude der alten Stadt umfasst, an die Regierung von Yucatán für 220 Millionen Pesos (rund 13 Millionen Euro).[11] Auf dem Gelände der alten Stadt befinden sich nicht nur mehrere Hotels, sondern auch Siedlungen der einheimischen Bevölkerung.