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Istanbul - Hagia Sophia
Die Hagia Sophia (vom griechischen „heilige Weisheit“; türkisch Ayasofya) oder Sophienkirche ist eine ehemalige byzantinische Kirche, die später eine Moschee wurde und heute als Museum (Ayasofya Camii Müzesi, „Hagia-Sophia-Moschee-Museum“) genutzt wird. Sie befindet sich in Eminönü, einem Stadtteil im europäischen Teil Istanbuls. Nach dem Niederbrennen zweier Vorläuferbauten verfolgte Kaiser Justinian mit dem Bau einer Kuppelbasilika im 6. Jahrhundert n. Chr. ein besonders ambitioniertes baupolitisches Programm. Sie ist dabei nicht nur die letzte der spätantiken Großkirchen, die seit Konstantin dem Großen im Römischen Reich errichtet wurden, sondern gilt in ihrer architektonischen Einzigartigkeit oft als eine Kirche ohne Vorbilder und ohne Nachahmung.[1] Die Kuppel der Hagia Sophia bleibt mit 32 Metern Spannweite bis zum heutigen Tage die größte über nur vier Tragepunkten errichtete Kuppel der Architekturgeschichte und gilt mit der gigantischen Umsetzung und ihrer besonderen Harmonie und Proportionen als eines der bedeutendsten Gebäude aller Zeiten.[2][3] Als letztes großes und bei Weitem bedeutendstes Bauwerk der frühbyzantinischen Architektur und Kunst der Spätantike[4] brachte sie zugleich ein neues Paradigma des Kirchenbaus hervor, das teils im Gegensatz zu seinen älteren Vorläufern stand und in der Folge einen der Grundpfeiler der christlichen Baukunst bilden sollte, der die Sakralarchitektur in Ost und West nachhaltig beeinflusst hat.[5][2] Die Hagia Sophia war die Kathedrale Konstantinopels, Hauptkirche des Byzantinischen Reiches sowie religiöser Mittelpunkt der Orthodoxie und ist heute ein Wahrzeichen Istanbuls.
Als Krönungskirche der byzantinischen Kaiser (seit 641), als Kathedrale des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel und Ort wichtiger historischer Geschehnisse ist die Hagia Sophia in besonderer Weise mit der byzantinischen Geschichte sowie allgemein als universell gedachte Modellkirche der Hauptstadt der christlichen Oikumene, Konstantinopel, mit der Ideengeschichte des Christentums verbunden.[6] Geplant als Bau von universeller Bedeutung, blieb sie über die Zeit des Mittelalters auch ein universelles christlich-spirituelles Zentrum. Auf der rechten Seite des Naos symbolisiert das Omphalion daher auch die Mitte der Erde, den sprichwörtlichen „Nabel der Welt“. Ihr Bau und ihre Symbolkraft waren aber insbesondere für die orthodoxe Christenheit und das Reich von außerordentlicher Bedeutung. Daher gilt sie den meisten orthodoxen Christen noch heute als großes Heiligtum.
Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 wurden christliche Insignien, Inneneinrichtung, Dekorationen und Glocken der Hagia Sophia entfernt oder durch Putz verdeckt. Nachdem die Hagia Sophia anschließend als Hauptmoschee der Osmanen adaptiert worden war, stellten sich die Sultane des 16. und 17. Jahrhunderts mit bedeutenden architektonischen Rezeptionen der Hagia Sophia in die byzantinische Tradition; die berühmteste Rezeption ist die Sultan-Ahmed- oder Blaue Moschee; in jüngster Zeit ist die neue Sabanci-Zentralmoschee von Adana zu nennen. Mithin geht die heute geläufigste Bauform der Moschee als Zentralkuppelbau letztlich auf die Hagia Sophia zurück, während in den ersten Jahrhunderten der islamischen Geschichte noch der Typus der Pfeilerhallenmoschee (wie z. B. die ehemalige Hauptmoschee von Córdoba oder die Umayyaden-Moschee) dominiert hatte, wobei letztere ursprünglich als Basilika errichtet und erst später in eine Moschee umgewandelt wurde. Allgemein ist die Hagia Sophia trotz der islamischen Indienstnahme unter den bedeutenden frühchristlichen Sakralgebäuden in rein architektonischer Perspektive heute weniger verändert überliefert, als es die großen frühchristlichen Basiliken Roms und Jerusalems sind.[7]
Bauhistorische Einordnung
Die Hagia Sophia gehört zu den herausragenden Bauwerken der Spätantike und ist das bedeutendste Beispiel für den Bautypus der Kuppelbasilika. Die Kuppelbasilika vereinigt Bauelemente mit einer längeren Geschichte. Dazu gehören die bereits in römisch-republikanischer Zeit entstandenen Basiliken, als Orte der Versammlung, des Marktes und der Gerichtsbarkeit, sowie die Kuppelbauten römischer Mausoleen, wie sie in der Kaiserzeit entstanden.
Das auffälligste Element der Hagia Sophia ist die monumentale Kuppel, die den gesamten Innenraum beherrscht. Sie ruht auf Pendentifs zwischen vier mächtigen Pfeilern. Im Norden und Süden des rechteckigen Zentralbaus wird der Seitenschub von Strebwerk über den Seitenschiffen abgefangen. Im Westen und Osten übernehmen diese Aufgabe Konchen mit Halbkuppeln, deren Widerlager ihrerseits in insgesamt vier kleineren Kuppeln liegt. Über dem Narthex befindet sich die Kaisertribüne und seitlich je eine Galerie für die Frauen (Gynaikeion). Die bauhistorische Bedeutung der Kuppel liegt nicht in ihrer Größe, denn bereits im ersten Jahrhundert nach Christus war es den Römern möglich, noch umfangreichere Kuppeln zu errichten, sondern darin, dass sie erstmals auf nur vier Pfeilern ruht und so gleichsam über dem darunterliegenden Raum schwebt. Der Versuch, die architektonische Herausforderung mit einer extrem flachen Kuppel zu erhöhen, scheiterte an wiederholten heftigen Erdbeben.
Die der göttlichen Weisheit gewidmete Kirche steht auf einem Rechteck von rund 80 m Länge und 70 m Breite. Die Spannweite der Kuppel beträgt rund 32 m; der Kuppelraum ist vom Fußboden bis zum Kuppelscheitelpunkt 55 m hoch.[8]
Baugeschichte
Vorgängerbauten
Schon unter Kaiser Konstantin I., um 325, begann man mit dem Bau der ersten Kirche an dieser Stelle, zunächst vermutlich als Palastaula. Vollendet wurde sie unter Constantius II. Die Kirche hatte keinen Namen, sondern wurde Megále Ekklesía (griechisch: ?e???? ?????s?a „Große Kirche“) genannt. Sie war wahrscheinlich, wie im vierten Jahrhundert üblich, eine kuppellose Basilika. Die spätere Nachricht, es hätten dort zahlreiche wertvolle Kunstwerke gestanden, die von Konstantin zur Ausschmückung seiner neuen Hauptstadt aus dem ganzen Reich nach Konstantinopel geschafft worden waren, darunter siebzig griechische Götterstandbilder, die, ihres religiösen Sinns entkleidet, als Zierstücke dienten, ist legendär und kann sich, wenn sie einen realen Kern hat, nur auf die Zeit der anfänglichen Verwendung als Palastaula beziehen.[9] Diese Kirche brannte im Juni 404 bei einem Aufstand der Anhänger des Johannes Chrysostomos, des Patriarchen von Konstantinopel, nieder, nachdem er auf Betreiben der Kaiserin Aelia Eudoxia abgesetzt worden war. Von Theodosius II. am selben Ort wieder aufgebaut, wurde dieser zweite Bau am 15. Januar 532,[10] bald nach dem Beginn der Herrschaft Kaiser Justinians während des sogenannten Nika-Aufstands erneut niedergebrannt. Kurz darauf entstand auf Anweisung Justinians die dritte Kirche am selben Platz. Die Details der Baugeschichte hat vor allem der Zeitgenosse Prokopios von Caesarea überliefert, der gegen 560 in seinem Werk De aedificiis (I,1) über die zahlreichen Bauwerke berichtete, die unter Justinians Herrschaft im Imperium Romanum errichtet wurden. Das Werk entstand offenbar im Auftrag des Kaisers, der darin teils panegyrisch gelobt wird.
Bau der Kirche
Kaum einen Monat nach der Zerstörung, am 23. Februar 532, begann nach Johannes Zonaras[10] der Aufbau einer neuen, mächtigeren Kirche, deren Form Justinian im Traum offenbart worden sein soll. Er wollte eine Kirche stiften, „wie es sie seit Adams Zeiten nicht gegeben hatte und wie es sie niemals wieder geben würde“,[8] zudem wollte er allem Anschein nach die von Anicia Juliana errichtete Polyeuktoskirche übertreffen. Diese war um 520 als Abbild des salomonischen Tempels gebaut und allgemein bewundert worden. Dies scheint den Ehrgeiz Justinians angestachelt zu haben, und er soll 360 Zentner Gold[11] in den Neubau investiert haben. Nach einem Bericht der Zeitschrift „Nature“ waren es 145 Tonnen Gold.[12]
Die Kirche war im spätrömischen Reich seit Konstantin I. keine neben der weltlichen Ordnung bestehende eigenständige Ordnung. Gerade Justinian strebte nach einem engen „Zusammenspiel“ (einer symphonia) von Staat und Kirche; ohne seine Zustimmung durfte keine Kirche neu errichtet oder bei Baufälligkeit instand gesetzt werden. Für die Hagia Sophia fühlte sich Justinian persönlich verantwortlich. Er soll nicht nur täglich die Baustelle besucht, sondern sich – nach Prokopios – auch aktiv an ihrer Planung beteiligt haben.
Die Bauleitung hatten der Architekt Anthemios von Tralleis und der Mathematiker Isidor von Milet inne. Über hundert ihnen unterstellte Vorarbeiter befahlen sie einem Heer von zehntausend Arbeitern. Innerhalb von fast sechs Jahren wurde die Kirche fertiggestellt. Nach dem Tod des Anthemios im Jahr 534 war Isidor alleine für den Bau verantwortlich.[13] Während der sehr kurzen Bauzeit entstanden wiederholt Risse in den Mauern. Ursache war aus heutiger Sicht vermutlich die nicht ausreichende Austrocknung des Mörtels, der wegen des zu raschen Baufortschritts nicht abbinden konnte und so verhinderte, dass die Mauern parallel zum Baufortschritt eine zunehmende Festigkeit entwickelten. Verstärkt wurde dies noch dadurch, dass zu Justinians Zeiten die Mörtelschichten fast die gleiche Stärke wie die Ziegelschichten bekamen. Justinian selbst soll dieses Problem erkannt und einen Rückbau der noch zu feuchten Wände angeordnet haben, als Mauereinstürze am Nord- und Südbogen drohten.
Am 27. Dezember 537 konnte der Rohbau eingeweiht werden.[13] Der Legende nach konnte der Kaiser bei der Einweihung seiner Erregung nicht Herr werden: Er soll mit seinem Triumphwagen hineingefahren, Gott gedankt und (in Anspielung auf den Tempel in Jerusalem, der noch immer als Maßstab auch für christliche Sakralbauten galt, sowie vermutlich auch unter Bezug auf die Polyeuktoskirche) ausgerufen haben:
Ruhm und Ehre dem Allerhöchsten, der mich für würdig hielt, ein solches Werk zu vollenden. Salomo, ich habe Dich übertroffen.
Anlässlich des Wiederaufbaus bzw. der Neueinweihung entstand der liturgische Hymnos (Kontakion) „Auf Erdbeben und Feuerbrand“ von Romanos Melodos.[14] Er gilt als bedeutendster byzantinischer Kirchendichter. Die Hagia Sophia wurde früh als Staatskirche genutzt. Hier fanden alle großen kirchlichen Handlungen unter der zeremoniellen Teilnahme des Kaisers statt. Seit 641 wurden hier fast alle byzantinischen Herrscher gekrönt. Nach der Besetzung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer des Vierten Kreuzzugs im Jahre 1204 diente das Gotteshaus bis zur byzantinischen Rückeroberung von Konstantinopel 1261 venezianischen Geistlichen als römisch-katholische Kirche. Danach war es wieder bis 1453 dem orthodoxen Ritus geweiht.
Kuppel
Römische Architekten hatten seit Jahrhunderten große Erfahrungen mit dem Bau mächtiger Kuppeln gesammelt. Aus der Befundanalyse dieser Kuppeln wird ersichtlich, dass zumeist der Werkstoff Opus caementitium, der römische Beton, solche Tragkonstruktionen erst möglich gemacht hat. Bei der Hagia Sophia wurde jedoch auf die bewährte Unterstützung mit Beton verzichtet. Der gesamte Bau ist – typisch für Ostrom – mit Ausnahme der Hauptpfeiler in Ziegelbauweise aufgeführt.
Zuerst im August 553 und dann am 7. Mai 558 stürzte die extrem flache Kuppel bei Erdbeben ein und wurde nach einer Überarbeitung des Bauplans in den Jahren 558–562 von Isidoros von Milet dem Jüngeren in ihre heutige Form gebracht. Isidoros, der Neffe des vorherigen Bauleiters, erhöhte die Wölbung der zu flach geneigten Kuppel und ließ die Strebepfeiler verstärken.[15] Am 24. Dezember 562, noch zu Lebzeiten von Justinian I., konnte die neue Kuppel eingeweiht werden.
Auch später bereiteten Erdbeben Probleme an der Kuppel. Nach dem großen Erdbeben 989, bei dem der westliche Kuppelbogen einstürzte, betraute Kaiser Basileios II. den armenischen Architekten Trdat mit der Rekonstruktion der Kirche.[16] 1346 stürzte der östliche Kuppelbogen nach heftigen Erdstößen ein. Erst danach wurden Stützmauern aus statischen Gründen an der Außenseite der Kirche angebracht; sie veränderten den ursprünglichen optischen Eindruck deutlich.
Heute finden sich in der Kuppel der Hagia Sophia 40 Fenster, jeweils eines zwischen den tragenden Gewölbespanten aus Ziegelsteinen und Mörtel. Man geht jedoch meist davon aus, dass die Fenster einer Rissbildung in der Kuppel vorbeugen sollen, indem sie entstehende Risse ins Leere laufen lassen und so die weitere Ausbreitung der Risse mit möglicher Zerstörung der gesamten Kuppel verhindern. Man nimmt an, dass die Baumeister diese Zusammenhänge am Beispiel des Pantheons erkannten und aus diesem Grunde Fensteröffnungen an der besonders gefährdeten Basis der Kuppel einließen.[17]
Wegen ihrer immensen, nahezu schwerelos über dem freien Hauptraum schwebenden Kuppel galt die Hagia Sophia in Spätantike und Mittelalter als achtes Weltwunder. Ein Jahrtausend lang war sie mit einer Scheitelhöhe von 55 m und einem Kuppeldurchmesser von ca. 33 m die mit Abstand größte Kirche der Christenheit.[18] Über viele Jahrhunderte war das Dach der Kirche vergoldet,[15] dies änderte sich erst mit dem Einmarsch der muslimischen Eroberer.
Da die Region um das Marmarameer weiterhin erdbebengefährdet ist, bestehen heute ernsthafte Befürchtungen für die Kuppel. Die türkische Regierung hat in Zusammenarbeit mit der UNESCO eine Expertenkommission ernannt, die sich diesem Thema widmet.
Mosaik- und Marmorschmuck
Schon zur Zeit der Eroberung Konstantinopels waren nur noch wenige Mosaiken aus der Erbauungszeit erhalten. Wahrscheinlich gab es bis in die Zeit nach dem byzantinischen Bilderstreit (729–843) keine Mosaiken mit menschlichen oder tierischen Darstellungen. Ornamentale Mosaiken blieben in den Seitenräumen und auf der Empore erhalten.
Das Wenige, was nicht während und nach der Transformation zur Moschee vernichtet wurde, ist heute wieder freigelegt. Dazu zählen die besonders wertvollen Mosaiken auf den oberen Galerien, die Kaiser Alexander (912–913), Kaiserin Zoe (1028–1050) mit ihrem Gemahl Konstantin IX. Monomachos, Kaiser Johannes II. Komnenos (1118–1143) mit seiner Gemahlin Irene und ihrem Sohn Alexios († 1142) sowie in Fragmenten Jesus als Weltenrichter (spätes 13./frühes 14. Jahrhundert) zeigen.
Das Mosaik aus dem 11. Jahrhundert zeigt mittig die thronende Maria, zu ihrer Rechten ist Kaiser Justinian mit dem Modell der Kirche zu sehen, zu ihrer Linken Kaiser Konstantin, mit dem Modell der Stadt Konstantinopel.
Stiftermosaik, 11. Jh. Maria als Theotokos, umgeben vom Kirchenstifter Kaiser Justinian mit dem Modell der Hagia Sophia und von Kaiser Konstantin als Stadtgründer mit dem Modell Konstantinopels.
Kunsthistorisch bedeutend ist auch die Figurengruppe mit Christus Pantokrator (Weltenherrscher) über der Kaisertüre im inneren Narthex (9. Jahrhundert). Der kniende Kaiser ohne Namensbeischrift wird heute zumeist mit Leon VI. (886–912) identifiziert. Über dem südwestlichen Ausgang dieses Raumes, der Porta Aurea, durch die der Kaiser einzog, befindet sich ein weiteres bemerkenswertes Lünettenmosaik. Es zeigt Maria mit dem Kind zusammen mit Kaiser Konstantin, der ihr Konstantinopel und Kaiser Justinian, der ihr die Hagia Sophia reicht. Die ältesten erhaltenen figürlichen Mosaiken aus dem 9. Jahrhundert befinden sich an der nördlichen Schildwand. Zu sehen sind Johannes Chrysostomos, Ignatius der Jüngere und Ignatius Theophorus von Antiochien. Das Gewölbe ist mit Seraphim an den Pendentifzwickeln geschmückt. Der dazugehörende segnende Pantokrator im Kuppelzenit wurde von den Eroberern zerstört. In der Apsis sind zudem eine Madonna und nicht weit entfernt Reste der Erzengel Gabriel und Michael erhalten.
Einen wichtigen Schlüssel zu den Mosaiken der Hagia Sophia stellen die Zeichnungen der Tessiner Gebrüder Fossati dar, die ab 1847 mit der ersten neuzeitlichen Renovierung und Bestandsaufnahme der Hagia Sophia beschäftigt waren und nach der Abnahme der islamischen Tünche den wertvollen Baubestand sichteten. Nach Protesten der Imame wurden die Mosaiken kurze Zeit später wieder zugetüncht. Wie sich bei der späteren Neuaufdeckung zeigte, waren zwischenzeitlich weitere Mosaike beschädigt worden und einige sogar vollkommen ausgetilgt.
Die bis zum Gewölbeansatz mit Marmor- und Porphyrplatten verkleideten Wände wurden so angebracht, dass sich ihre Musterung spiegelbildlich verdoppelte. Der Fußboden ist mit Platten aus prokonnesischem Marmor belegt. Vor dem zweiten Pfeiler der rechten Seite befindet sich das rechteckige Omphalion (sinngemäß „Nabel der Welt“) aus schwarzen, grünen und roten Marmorscheiben, das den Platz kennzeichnet, den der Kaiser während der Liturgie einnahm.
Schon in den frühen byzantinischen Ekphraseis der Kirche wurden der Marmorfußboden wie die Marmorsäulen und die weitere Innenausstattung als besonders eindrucksvoll empfunden.[20] So wurden die Textur, Farbe und Muster der sorgsam geschnittenen Marmorplatten mit beschwörenden Kräften einer mystischen Bedeutung gleichrangig der Acheiropoieton und Zeichen für die Anwesenheit Gottes gedeutet. Dem Marmor wurde als ein flüchtiger Blick auf Natur, Landschaften, Wiesen und Wälder beschrieben. Prokopios von Caesarea (De Aedificiis, I, 1, 59–60) berichtete über das Gebäude als Vision der Natur und sah im Topos des Marmors eine blühende Wiese. Der byzantinische Dichter Paulus Silentiarius verglich in seiner Ekphrasis anlässlich der zweiten Weihung der Hagia Sopia zum 24. Dezember 562 den Marmor der Kirche ebenso mit der Natur und in den architektonischen und skulpturalen Elementen erblickte er einen Wald, der mit Blumen unterschiedlicher Färbung gefüllt ist (Säulen im Naos) oder ihm wie aus Wachs und Elfenbein (Alabaster des Ambos) oder belebt mit Rosen, Lilien und Anemonen (Phrygischer Marmor der Säulen zwischen Naos und der Seitengänge) erschienen war. Silentarius empfand in diesen architektonischen Elementen, die ihm nicht statisch, sondern voller Bewegung erschienen, die Existenz des Heiligen Geistes. In tieferen theologischen Interpretationen des Innenraums der Kirche wurde diese im 12. Jahrhundert mit der Schwangerschaft und einer theologisch tieferliegenden Parallele zur Mutter Maria als Chora tou Achoretou (Behälter der grenzenlosen Göttlichkeit) gesetzt, in dem der Marmor als Hauptwerkstoff des Innenraums ein Zeugnis dieser Idee stellt. Die besondere Qualität des prokonnesischen Marmors wurde in der mittelalterlichen Vorstellung der Byzantiner als Darstellung und Verwirklichung des Wunders der Fleischwerdung Christi, der Empfängnis der Jungfrau Mariae mit dem Logos sowie dem Körper Christi verbunden. Eine weitere Vorstellung betraf die Emulation von Marmor als gefrorenem Wasser aus der Urzeit der Erschaffung der Welt und dem Okeanos. Prokonnesischer Marmor galt im 6. Jahrhundert als Verkörperung des Ozeans, mit dem der gesamte weitläufige Fussboden der Hagia Sophia ausgestattet wurde.[21] Daher wurde er oft als Vorstellung des marinen Lebens und Bildern der Meereslandschaft beschrieben. Nach seinem Vorbild ist auch der Fußboden der Sankt Markus Kirche in Venedig im 12. Jahrhundert aus ebendiesen Marmorplatten geschaffen worden. Marmor in der theologischen Interpretation als gefrorenes Wasser der „Urkälte“ zeigte durch Politur der glatten Marmor-Oberfläche sein ursprüngliches Licht – als aktives Prinzip des Logos – das einstmals in der stofflichen Struktur des Marmors eingefangen wurde.[22] Dem Bild der Chora tou Achoretou ist auch die Inspiration im Neubau des Saint Nicholas National Shrines in Manhattan geschuldet, in dem Santiago Calatrava seine Idee der Gestaltung der Kirche auch aus dem Stiftungsmosaik der Thronenden Mutter Gottes der Hagia Sophia heraus entwickelte.[23]
Eine kleine Glocke der Hagia Sophia wurde von den Osmanen im Museum für historische Waffen gelagert.
Fotografie der Hoffotografen Abdullah Frères des Sultans Abdülhamid II. (heute Library of Congress Abdul-Hamid II Collection Washington, D.C.)
Glocken
Für neun Glocken, die der venezianische Doge Orso I. der Hagia Sophia im Jahre 865 stiftete, wurde vermutlich ein Glockenturm an der Westfassade errichtet.[10] Es gibt auch Quellen, die von zwölf gestifteten Glocken berichten. Der kleine Glockenturm auf der Westfassade wurde vermutlich erst in der Zeit der Kreuzfahrer errichtet und blieb bis in das 18. Jahrhundert erhalten. Zum orthodoxen Messritus der Kirche gehörte es, dass während des Gottesdienstes die Glocken läuteten. Im Jahr 1453, als die Türken zum letzten erfolgreichen Angriff auf Konstantinopel ansetzten, ließ der letzte oströmische Kaiser Konstantin XI. die goldenen Glocken Sturm läuten. Das Läutwerk wurde von den türkischen Eroberern vollständig zerstört. In einem bekannten griechischen Klagelied von der Einnahme Konstantinopels durch die Türken wird von 300 Glöckchen und 62 Glocken berichtet, welche die Hagia Sophia zuletzt besessen haben soll.[24]
Der Fall Konstantinopels: die Hagia Sophia wird zur Moschee
Um eine Zerstörung Konstantinopels zu verhindern, hatte Sultan Mehmed II. die freiwillige Übergabe durch Übereinkunft (?ul?an) angestrebt, doch eine Kapitulationsaufforderung an Kaiser Konstantin XI. war ohne Erfolg geblieben.[25] Am 27. Mai 1453 ließ der Sultan schließlich seinen Truppen verkünden, dass die nun durch Gewalt (?anwatan) zu erobernde Stadt drei Tage lang zur Plünderung offenstünde. Am gleichen Tag fand der letzte Gottesdienst in der Kathedrale statt, den orthodoxe und katholische Priester gemeinsam feierten.[26] Als die Stadt am 29. Mai 1453 fiel, wurde die Kirche von den Stürmern geplündert und das in die Hagia Sophia geflüchtete Volk teils geschändet, teils getötet und größtenteils versklavt.[27][28] Bereits am Nachmittag wurde zum Gebet aufgerufen, das der Sultan auf dem Altar verrichtete.[29][30] Dass er zu Pferde in die Hagia Sophia eingeritten sein soll, bezeichnet Joseph von Hammer-Purgstall mit Bezug auf den zeitgenössischen Historiker Dukas als „Mährchen[] europäischer Geschichtschr[eiber]“.[31] Am folgenden Tag besichtigte Mehmed II. die Stadt. Der osmanische Chronist Tursun Bey, der die Eroberung Konstantinopels miterlebte, schildert in seiner Geschichte des Vaters der Eroberung‘, wie der Sultan auf die Kuppel der Hagia Sophia stieg und von dort aus voller Bedauern auf die verfallenen und in Ruinen liegenden Neben- und Anbauten blickte.[32]
In den darauffolgenden Jahren wurde die Transformation abgeschlossen. Kirchenglocken, Altar und die liturgische Ausstattung wurden zerstört oder verschleppt. Nur eine Glocke scheint die Zeitläufe in einem osmanischen Waffenmuseum überdauert zu haben. Christliche Insignien wurden teilweise durch muslimische ersetzt, die Ikonen entfernt, Mosaike und Wandgemälde teilweise zerstört,[10] übertüncht oder unter Putz gelegt, Kreuze gegen den Halbmond ausgetauscht. Im Inneren der Kirche wurden die für eine Nutzung als Moschee notwendigen Bauteile eingefügt sowie der Fußboden mit Teppichen ausgelegt. Der nördliche Hauptpfeiler wurde später mit einer Sultansloge versehen.
Der äußere Eindruck der Kirche wurde vor allem dadurch verändert, dass bereits 1453 ein Minarett an den Flanken der Kirche erbaut wurde. Zwei weitere kamen in den folgenden Jahrzehnten hinzu, die beiden ältesten wurden 1573 abgebrochen und durch neue ersetzt, so dass das Gebäude heute von vier Minaretten umgeben ist. 1574 wurde das Baptisterium zum Grab für Selim II. umgewandelt.
Quelle: Wikipedia